Zumindest, wenn man in der Haut von Chloe Price steckt.
Bereits in Life is Strange begleitete sie als beste Freundin von Max(ine) Caulfield den Spieler. Die sehr emotionale Geschichte um Verlust und die Angst davor, sowie den großen und kleinen Nöten des Erwachsenwerdens und der damit zusammenhängenden Verwirrung und Schwierigkeit, sich in der Welt zurechtzufinden wurde noch gewürzt mit der Fähigkeit der Protagonistin, die Zeit zurückdrehen zu können.
Mehr und mehr entdeckte Max außerdem die Abgründe von Arcadia Bay und der Blackwell Academy. Ein psychotischer Schüler, ein besessener Photograph und ein vermisstes Mädchen, das später tot aufgefunden wurde, waren nur der Vorgeschmack für ein katastrophales Finale. Am Ende musste Max sich entscheiden - rettet sie ihre Freundin, die sie über alles liebt oder ihre Heimatstadt? Keine leichte Entscheidung, wie so einige im Spielverlauf.
Klar kann man das als Teenie-Drama abtun - aber man kann sich auch einfach darauf einlassen und das Spiel genießen und mitfiebern und mitleiden. Ich bin ja sowieso jemand, der sich für derartige Geschichten begeistern kann (auch wenn man mir das vermutlich nicht unbedingt glauben würde), insofern hat mir auch Life is Strange sehr gefallen. Der toll ausgewählte Soundtrack und auch der Score haben mal wieder einen großen Anteil daran gehabt. Kann ich nur empfehlen, zum Beispiel mal bei einem Streamingdienst reinzuhören.
In Life is Strange: Before The Storm ist Chloe dann die vom Spieler gesteuerte Protagonistin, spielt dieser Teil doch circa drei Jahre vor der Rückkehr von Max Caulfield nach Arcadia Bay.
Seit ihr Vater knapp zwei Jahre vor Spielbeginn bei einem Autounfall ums Leben kam, hat sich Chloe stark verändert. Das an Wissenschaft interessierte Mädchen wurde zu einem zynischen, rebellischen Teenager, der absolut gar nicht begeistert darüber ist, dass seine Mutter eine neue Liebe gefunden hat. Erst recht nicht, da es sich - ihrer Meinung nach - um einen militaristischen Faschist handelt.
Darüber hinaus scheint der Kontakt zu Max vor ein paar Monaten abgebrochen zu sein. Chloe legt sich deshalb ein Tagebuch an, das sich (ähnlich wie in Life is Strange) während des Spielverlaufs füllt mit Briefen an Max. Die sind mal berichtend, mal anklagend, mal amüsant, mal traurig.
Genauso entwickelt sich auch die unwahrscheinliche Beziehung zwischen Chloe und Rachel Amber, einer der populärsten Schülerinnen von Blackwell. Nach einer völlig unerwarteten Begegnung auf einem Konzert gleich zu Spielbeginn trifft Chloe am nächsten Tag wieder auf Rachel, die sie überredet, den Unterricht zu schwänzen und lieber Zeit mit ihr zu verbringen. Die anschließenden Stunden sind eine Achterbahn der Gefühle, denn nach der anfänglichen Vertrautheit zwischen den beiden Mädchen reagiert Rachel plötzlich abweisend und lässt Chloe ratlos, wütend und traurig auf dem Schrottplatz zurück.
Nachdem später der Grund für Rachels plötzliche Gefühlsschwankung erklärt ist, planen sie und Chloe, aus Arcadia Bay zu verschwinden. Beim Abendessen mit Rachels Eltern kommt es jedoch zu einem Gefühlsausbruch, der mit einer Erklärung von Rachels Vater für dessen Verhalten endet. Dessen vermeintliches Fremdgehen entpuppt sich als eine viel größere Sache und in der Folge versucht Chloe, Rachel dabei zu helfen, ihre leibliche Mutter zu treffen.
Dieser Versuch endet zwischenzeitlich desaströs mit einer Messerattacke auf Rachel, die gerade noch rechtzeitig von Chloe ins Krankenhaus geschafft werden kann. Dort bittet Rachel sie allerdings, weiter nach ihrer Mutter zu suchen. Chloe kommt dem Wunsch nach und findet noch eine weitere Schicht von Lügen und Verheimlichungen. Rachels Vater arbeitete mit dem Kriminellen zusammen, der auch Rachel mit dem Messer angriff. Er wollte dafür sorgen, dass Rachels Mutter für immer aus dem Weg geräumt wird. Diese Erkenntnis trifft Rachel, wenn man als Spieler die Entscheidung trifft, ihr davon zu erzählen, natürlich extrem hart.
Trotzdem oder gerade wegen dieser gemeinsam durchlebten Ereignisse verbringen die beiden Mädchen weiterhin viel Zeit miteinander und festigen ihre Beziehung - bis zu dem grausamen Ereignis, das ganz am Ende, noch nach dem Abspann des Spiels, angedeutet wird. Spieler von Life is Strange wissen, dass Rachel zum Zeitpunkt der Rückkehr von Max nach Arcadia Bay bereits tot ist. Ihr angedeuteter letzter Moment in Jeffersons Photo-Bunker trifft den Spieler dennoch heftig in die Magengrube nach all den vorangegangen Bildern. Holt man den ursprünglich ersten Teil der Reihe im Anschluss nach oder spielt in erneut, kann man Chloe nur noch besser verstehen, die bereits zum zweiten Mal in ihrem jungen Leben mit einem derartigen Verlust konfrontiert wird.
Ähnlich brachial endet die Bonus Episode "Farewell", die im September 2008 spielt. Max ist noch in Arcadia Bay und zu Besuch bei Chloe - um ihr von dem bevorstehenden Umzug ihrer Familie nach Seattle zu erzählen. Allerdings spielen die beiden erst noch eine Piratengeschichte, wie vor mehreren Jahren schon. Dabei vergruben sie damals einen Schatz im Garten, den sie nun wiederfinden wollen.
Die ganze Episode ist ein einziger, langer, bittersüßer Abschied - sowohl für Max und Chloe, als auch für den Spieler, denn ist wohl das letzte Mal, dass wir die Mädchen in einem Spiel sehen. Hier und da finden sich einige Anspielungen zu Life is Strange wieder, nicht nur durch den Ort und die Charaktere selbst, sondern auch Kleinigkeiten wie etwa die Schneekugel auf dem Kaminsims.
Und spätestens, wenn die beiden Mädchen im Wohnzimmer angekommen sind und Chloe in einem Nebensatz erwähnt, dass ihre Eltern eigentlich schon zu Hause sein wollten, weiß der Spieler, wie diese Episode endet. Es ist nämlich der Tag, an dem Chloes Vater stirbt. Zum Ende kommt dann auch ihre Mutter mit genau diesen schrecklichen Neuigkeiten heim. Auch Max ist davon hart getroffen.
Umso grausamer ist dann ihr Abschied von Chloe auf der Beerdigung, von der aus ihre Familie direkt nach Seattle fährt. Erst Jahre später kehrt sie nach Arcadia Bay und damit zu Chloe zurück.
Gerade die Geschichte um Rachel und ihre Beziehung zu Chloe fand ich toll, weil in Life is Strange eben nur noch posthum über Rachel berichtet werden kann. Es zeigt sie aus einer anderen Perspektive, als die Erzählungen und Gerüchte einen glauben lassen wollen. Es ist natürlich nicht gänzlich unmöglich, dass sie in der Zeit zwischen Before The Storm, das 2010 spielt, und dem chronologischen Nachfolger (2013) eine Wandlung durchgemacht hat. Möglicherweise wurde das auch zusätzlich bedingt durch die Ereignisse, die sich nach ihrer Begegnung mit Chloe zugetragen haben. Dennoch scheint einiges von dem, was Max über sie erfahren kann, zumindest unwahrscheinlich oder doch recht vage. Ohne wirklich offizielle Informationen spekulieren auch die Spieler der Serie teils sehr detailliert über den Charakter und ihre Motive.
Interessant ist, dass Before The Storm das übernatürliche Element fehlt, das Max in Life is Strange verkörperte. Hier und dort scheint es kleinere Anzeichen für mögliche Einflüsse oder gar Kräfte zu geben, aber nie wird direkt davon Gebrauch gemacht. So hat Chloe zum Beispiel prophetische Träume, in denen ihr verstorbener Vater sie unterstützt, wodurch sie Rachel am Abend im Park wiederfindet.
Rachel dagegen wird oft mit Feuer in Verbindung gebracht - nicht nur, weil sie für den Großbrand verantwortlich ist, sondern auch wegen der Art und Weise. Als sie den brennenden Mülleimer umtritt, schreit sie in die gleiche Richtung, wobei um sie herum der Wind scheinbar plötzlich ebenfalls in diese Richtung weht und das Feuer so anfacht. Darüber hinaus scheint der Großbrand urplötzlich zu erlöschen, als Rachel mit der Messerwunde ins Krankenhaus kommt.
Schaut man sich ein wenig in Foren zu dem Thema um, kann man mit Sicherheit noch mehr und noch deutlich absurdere Theorien finden. Fakt ist, dass die Spiele wunderschön geschrieben und vertont sind - sowohl auf Seiten der Figuren als auch des Soundtracks. Die eigens dafür geschriebenen Stücke als auch die lizenzierten Tracks sind stets passend eingesetzt und oft mehr als nur leicht melancholisch, was mir ja immer wieder gefällt. Auf YouTube habe ich eine Playlist mit dem Soundtrack zu Before The Storm gefunden, die auch beim Schreiben dieses Posts lief. Gerne mal reinhören.
Du hast also mein Blog gefunden. Ob durch Zufall oder Absicht, du bist jetzt hier. Bleib gerne ein Weilchen und schau dir an, was ich so zu virtuellem Papier gebracht habe. Das wird vermutlich nicht immer deinen Geschmack oder dein Interesse treffen. Vielleicht ist ja der eine oder andere Post dabei, der dich zum Schmunzeln oder sogar zum Lachen bringt, dich zum Nachdenken anregt oder dich im Zweifel einfach nur verstört am Kopf kratzen lässt. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Rezipieren!
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